KINDER ! WAGEN e.V.

Gedanken

 

 

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Eine Horde Affen,

2 Görlitzer Freunde und Henry Ford

 

Gedanken zur Ausstellung Kinder ! Wagen im Autohaus Kohli Görlitz

von Willi Xylander

Direktor des Staatlichen Museums für Naturkunde Görlitz

 

Von einem Museumsdirektor erwartet man, das er sich mit den Inhalten und der Form einer Ausstellung auseinandersetzt, wenn er sich zu ihr äußert. dies werden an dieser Stelle die Initiatoren der Ausstellung, Frau und Herr Großmann übernehmen, die außerordentlich kompetente Sammler sind und sich mit dem Thema Kinderwagen seit Jahrzehnten beschäftigen. Sie haben daher eine viel tiefergehende Kenntnis zu diesem Thema als ich. Ihre umfangreiche, in Europa wohl einmalige Sammlung haben sie ständig um neue Exponate und Bilder zum Thema "Kinderwagen in Funktion, Modifikation, Raum und Zeit" erweitert, die Sammlungsstücke aufwendig, fachgerecht und liebevoll restauriert und nun zu einer beeindruckenden Ausstellung zusammengestellt.

Ich möchte mir daher erlauben, eher ein paar Gedanken vorzustellen, die das Phänomen Kinderwagen als Objekt der Kulturrevolution thematisieren soll.

 

Eine Horde Affen

 

Vor einigen Jahrzehnten beobachteten Biologen Japan - Makaken auf einer Insel und versuchten dabei, die Sozialstruktur dieser Affen zu erfassen. Um sie an sich zu gewöhnen, fütterten Sie sie mit Reis und Getreide an. die sie an einem der Lieblingsplätze der Affen, einem schmalen Strandbereich, ausstreuten. Das Futter wirkte anziehend und so konnten meine Kollegen diese Gruppe erforschen und die Sozialstruktur aufdecken. Sie machten dabei eine außergewöhnliche und viel beachtete Entdeckung. Eines Tages war es einer der jungen Affen offensichtlich leid, die Futterkörner aufwendig vom Sand zu trennen, der an ihnen klebte. Er nahm eine ganze Hand voll dieser Körner, warf sie ins seichte Wasser und stellte dabei fest, dass die Sandkörner abgewaschen wurden, das Getreide aber auf der Oberfläche schwamm.

Er konnte sie nun mit der Hand herausseihen und essen, sicher etwas salzig aber zumindest ohne permanentes Knirschen beim Kauen. Dieses Verhalten, das die Wissenschaftler zufälligerweise beobachten konnten, als das Tier es erstmalig "ausprobierte", war offensichtlich eine "Erfindung", also eine Verhaltensinnovation, dieses einen Affen. Und weil das Verhalten einen gewünschten Effekt brachte, wiederholte er es. Es gelang jedoch den anderen Affen, diese Verhaltensweise durch Beobachtung zu erlernen, und innerhalb kurzer Zeit trennten die meisten Affen dieser Gruppe mit genau dieser Methode den Sand von den Futterkörnern. Interessanterweise waren es die jungen Tiere und die Weibchen, die "lernfähig" genug waren, um diese Innovation anzunehmen. Die älteren Männchen lernten dieses Verhalten nicht mehr. Es ist inzwischen in der gesamten Population etabliert. Seit mehr als 40 Jahren waschen die Japan - Makaken dieser Insel ihre Nahrung im Meer sauber.

Das Beispiel zeigt, wie eine Erfindung - in diesem Fall das Waschen von Getreide durch die Nutzung des unterschiedlichen spezifischen Gewichts von Sand und Körnern - wie eine evolutionäre Neuerung entsteht und dann horizontal in der Population (also an die Individuen derselben Art, die zeitgleich am selben Ort leben) weitergegeben wird. Die Biologen nennen die Etablierung (und eventuell auch die spätere Modifikation) eines solchen erlernten Verhaltensmerkmals "Kultur-Evolution".

Ähnlich muss auch der Kinderwagen entstanden sein. Man kam auf die Idee, Räder an eine Wiege zu schrauben und somit ein Fahrzeug zu erzeugen. Diese Innovation entspräche der Erfindung des Körnerwaschens. Der Transfer der Erfindung Kinderwagen ist ein Prozess, der innerhalb der Menschheit heute noch abläuft und kulturübergreifend verfolgt werden kann -  in Europa ist die "Population" fast zu 100 % von der "Verhaltensneuerung Kinderwagen" erfasst.

(in Kürze folgen noch weitere Texte)